Halten
Und ich möcht´ gern alles festhalten. Möcht`gern alles festhalten und in Erinnerung behalten, denn Zeit geht viel zu schnell vorbei und das Leben ist nicht fair. Das Leben ist nicht fair zu denen, die sich´s am meisten wünschen würden und dies am meisten notwendig hätten, um zu sehn, dass die Chance besteht, glücklich zu sein. Ich würd` gern alles festhalten, um auch später zu sehen, wie das Leben sein kann. Wie sich Schmerzen wirklich anfühlen und wie sich’s anfühlt, alleine zu sein. Wie sich anfühlt, überfordert zu sein und wie sich’s anfühlt, hilfslos ohne jegliche Kontrolle deines selbstzerstörerischen Körpers zu sein. Wie sich’s anfühlt, akzeptiert zu haben, die Schmerzen und das Gefühl, keine Luft zu bekommen, wie sich’s anfühlt, nicht schlafen zu können und wie sich’s anfühlt, von den Menschen weggeschickt zu werden, deren Hilfe du am meisten brauchst. Wie sich’s anfühlt, selbst reflektieren zu können, die Emotionen und das Leid. Und wie sich’s anfühlt, an sich selbst und an den Schäden, die hinterlassen wurden, zu arbeiten. Wie sich’s anfühlt zu verstehen und wie sich’s anfühlt, von der eigenen Psyche betrogen zu werden. Ich möchte genau das alles festhalten, um zu sehen, wie schön es eigentlich sein kann. Wie schön das sein kann, worauf wir irgendwie ganz plötzlich den Blick verlieren, wenn alles gut ist. Um das alles festhalten zu können, wo das Schicksal auf meiner Seite steht, wo ich atmen kann und hier drei Mal bei allen Orten, die mir das Gefühl geben, das Leben zu spüren. Um atmen zu können und alles festzuhalten, was ich in den Momenten spüre. Das Kribbeln im Bauch, wenn ich was Neues erlebe, das Lachen im Gesicht, wenn ich was schaffe, was ich von mir selbst vor ein paar Monaten nie gedacht hätte, die Tränen, die, um es ehrlich zugeben, auch ein wenig Freudentränen sind, wenn die nächste Diagnose negativ ausfällt, das berauschende Gefühl in mir, ohne Angst etwas mal wieder zum ersten Mal tun zu können und auch das Gefühl in meinem Herzen, wenn ich dich seh´, und um den Menschen festzuhalten, der ich bin, wenn ich bei dir bin, um all das festzuhalten, was das Leben ausmacht, um die Erinnerung daran zu haben, dass das Leben gut ist, auch wenn´s manchmal schwer ist. Angst gehört dazu. Angst zu vergessen, wie sich das Leben anfühlt. Will all das Leben, das noch kommt, festhalten. Ein Leben, an das es sich zu erinnern lohnt.